Der Supervulkan unter Neapel
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Die Phlegräischen Felder
Die Phlegräischen Felder, italienisch Campi Flegrei genannt, sind eine einzigartige geologische Formation im Golf von Neapel, etwa 20 Kilometer westlich des Vesuv gelegen. Dieses Gebiet ist dicht besiedelt und weist eine hohe vulkanische Aktivität auf. Die Phlegräischen Felder sind Teil des Mittelmeer-Vulkanbogens und werden als Supervulkan eingestuft. Die Caldera ist eingesunken und nicht sichtbar, sie befindet sich zu zwei Drittel unter Wasser.
Die Region erstreckt sich über etwa 200 km² am Golf von Neapel und umfasst mehrere beeindruckende Formationen wie zum Beispiel den Solfatara-Krater, der einer von etwa 50 aktiven Eruptionsherden ist. Die vulkanischen Aktivitäten der Phlegräischen Felder lassen den Boden sehr heiß werden und es gibt an vielen Stellen Gestein, das durch austretende Schwefeldämpfe gelb gefärbt ist. Neben Fumarolen und Solfataren gibt es auch viele Thermalquellen und Mofetten. Hier entweichen Gase wie Schwefelwasserstoff, Methan und Kohlendioxid, die auf die geothermischen Prozesse in den Magmakammern unterhalb der Erdoberfläche hinweisen. Diese befinden sich in einer Tiefe zwischen drei und acht Kilometern. In zehn Kilometern Tiefe teilen sich die Phlegräischen Felder eine Magmakammer mit dem Vesuv.
Vor etwa 39.000 Jahren ereignete sich die bisher stärkste bekannte Eruption der Phlegräischen Felder, im Zuge derer auch die Caldera entstand. Es war dies der stärkste vulkanische Ausbruch im gesamten Mittelmeerraum in den letzten 200.000 Jahren.
Der letzte größerer Ausbruch geschah 1538 und dauerte acht Tage lang. Aus dem ausgeworfenen Material entstand ein neuer Berg, der Monte Nuovo. Bei dieser Eruption wurde eine Magma-Art ausgestoßen, die auch vor dem letzten katastrophalen Ausbruch ausgestoßen wurde. Die Wissenschaft schloss 2018 daraus, dass bereits der nächste Ausbruch ein besonders schwerwiegendes Großereignis sein könnte.
In einer Studie wurden mit Hilfe von natürlichen Erdbeben die Verhaltensmuster der Gesteinsschichten analysiert, die bisher das aufsteigende Magma zurückgehalten haben. Demnach wurden seit 2020 vermehrt Brüche und Verformungen dieser Gesteinsschichten festgestellt, wodurch langfristig die Möglichkeit eines Magmaaufstiegs erhöht wäre.
Aktuelle Entwicklungen
Im vergangenen Sommer geriet das Supervulkan-System der Phlegräischen Felder wieder ins Bewusstsein der Öffentlichkeit als sich am 23. August 2023 einer der stärksten Erdbebenschwärme der letzten Jahre ereignete. Es wurden über 150 Erdbeben registriert, die Sorgen unter der Bevölkerung weckten, dass ein Ausbruch unmittelbar bevorstehen könnte. Im September 2023 wurden über 1.100 Erdstöße gemessen, darunter auch zwei, die zu den stärksten Erdbeben der letzten 40 Jahre in der Region zählen. Die Beben werden durch konzentriert freigesetzte Gase ausgelöst, die das langsame Anheben des Bodens begünstigen. Seit 2005 hat sich der Boden um etwa 113 cm gehoben. Seit Jänner 2023 lag die durchschnittliche Bodenhebung bei 15 mm pro Monat. Deutlich stärker war die Hebungsphase zwischen 21. und 23. September 2023 als sich der Boden in nur drei Tagen um 1 cm hob. Allerdings gab es bereits in den 1980er-Jahren Ereignisse, in denen sich die Erde in kürzester Zeit um über einen Meter angehoben hat. Die beschleunigte Bodenhebung muss also nicht notwendigerweise ein Indiz für eine Verschärfung der Situation oder gar Vorbote eines unmittelbar bevorstehenden Ausbruchs sein.
Es ist generell äußerst schwierig, zuverlässig vorherzusagen, wann ein Vulkan ausbrechen wird. So ist es auch nahezu unmöglich, den Zeitpunkt des nächsten Ausbruchs des Supervulkans der Phlegräischen Felder zu bestimmen. Auch wie, wo und wie stark eine solche Eruption erfolgen wird kann nicht vorhergesagt werden. Möglich wären aufgrund der komplexen Struktur der Phlegräischen Felder auch mehrere gleichzeitige Ausbrüche.
Der italienische Katastrophenschutz bewertet in monatlichen Konferenzen das aktuelle Risiko eines Ausbruchs und ruft dementsprechend Warnstufen aus, von Grün über Gelb, zu Orange bis hin zur höchsten Alarmstufe Rot. Anfang November 2023 gab der Zivilschutzminister an, dass eine Erhöhung auf die Stufe Orange im Bereich des Möglichen liegen würde. Ein solcher Voralarm würde bedeuten, dass ein Ausbruch in einigen Wochen, statt erst in einigen Monaten bevorstehen könnte. Bei Warnstufe Rot sieht der Evakuierungsplan vor, dass die Bevölkerung der roten Zone innerhalb von drei Tagen die Gefahrenzone verlassen müsse. In diesem Fall müssten 500.000 Menschen evakuiert werden, was die Behörden vor große logistische Herausforderungen stellen würde.
Mögliche Auswirkungen
Die Folgen einer Supereruption des Supervulkans wären nicht nur für die Millionenmetropole Neapel verheerend, denn ein solches Ereignis hätte globale Auswirkungen. Ein solch gewaltiger Ausbruch könnte zehn mal stärker sein als der berühmte Vesuv-Ausbruch im Jahre 79 n. Chr. Die Aschesäule könnte 70 km hoch in den Himmel ragen und pyroklastische Ströme könnten bis zu 700 km weit reichen und eine bis zu 200 m dicke Schicht bilden. Material, das ins Meer geschleudert wird, würde verheerende Tsunamis auslösen. Im Umkreis von mehreren hundert Kilometern können Dächer durch die Last der Ascheschichten einstürzen. Eine Wolke aus Asche und Schwefelgasen würde sich über den den gesamten Globus verteilen und eine globale Klimakatastrophe verursachen. Die Temperaturen würden um mehrere Grad sinken, ein vulkanischer Winter wäre die Folge, der ein massenhaftes Sterben von Pflanzen und Tieren verursachen würde, wodurch eine jahrelange Nahrungsknappheit drohen würde.
In diesem Video wird ein solches mögliches Horrorszenario dargestellt:
Supervulkane
Der Supervulkan bei Neapel ist aber nur einer von mehr als 20 Supervulkanen auf der Erde. Sie sind die größten bekannten Vulkane und bauen im Gegensatz zu den herkömmlichen Vulkanen bei einem Ausbruch keine Vulkankegel auf, sondern bilden riesige Calderen (Einbruchskessel). Die stärksten Ausbrüche dieser Supervulkane werden Supereruptionen genannt, die nach dem Vulkanexplosivitätsindex (VEI) Werte von 7 bzw. 8 erreichen. Das letzte VEI-8-Ereignis war vor ca. 26.500 Jahren der Ausbruch des Taupo in Neuseeland. Der Ausbruch des Tambora 1815 war die letzte VEI-7-Eruption. Bei Supereruptionen mit einer Stärke von über VEI-8 werden mindestens 1.000 km³ Auswurfmenge wie Lava und Pyroklastika ausgestoßen. Der stärkste bekannte Vulkanausbruch in der jüngeren Erdgeschichte ereignete sich vor 27,8 Millionen Jahren im heutigen Colorado. Die Stärke der Eruption wird mit VEI-9,2 angegeben und die Auswurfmenge betrug 5.000 km³. Die dadurch entstandene La-Garita-Caldera hat mit ihren 35 mal 75 km Größe eine ungewöhnlich längliche Form.
Ein weiterer sehr bekannter Supervulkan ist der Yellowstone im gleichnamigen Nationalpark in Wyoming, dessen letzter großer Ausbruch mit einer Stärke von über VEI-8 ca. 640.000 Jahre zurück liegt.
Wie häufig sind aber Vulkaneruptionen der Stärke von mindestens VEI-8? Laut einer Studie aus dem Jahr 2017 treten VEI-8 Ereignisse alle 5.200 bis 48.000 Jahre auf. Demnach könnte ein solcher Ausbruch jederzeit stattfinden. Allerdings ist die angegebene Zeitspanne so groß, dass genau so gut noch zehntausende Jahre bis zur nächsten Supereruption vergehen könnten.
Was den Supervulkan der Phlegräischen Felder betrifft, so dürfte ein großer, massiver Ausbruch in nächster Zeit das unwahrscheinlichste Szenario sein. Ein kleinerer Ausbruch gilt hingegen als sehr wahrscheinlich, auch eine Eruption wie 1538 ist laut Forschung denkbar. Die Wissenschaftler*innen weisen auch darauf hin, dass derzeit die Daten nicht auf Magma nahe der Oberfläche hin deuten würden. Möglich wäre also auch, dass sich die Situation in den nächsten Monaten wieder beruhigt.
Weiterführende Informationen findet ihr hier: