Bevor die Artemis II Crew zum Mond fliegen kann, muss sie das Navigieren weit über der Erde im Griff haben
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Der NASA-Flugkommandant der nächsten Mondmission erläutert den unmittelbaren Ablauf an Bord.
Nach über 50 Jahren kehrt die NASA zum Mond zurück. Läuft alles nach Plan, wird die Mission Artemis III im Jahr 2025 zwei AstronautInnen auf die Mondoberfläche bringen. Bei entsprechender Finanzierung könnten weitere Artemis-Missionen wie zB der Bau einer Mondstation oder einer permanenten Basis am Südpol des Erdtrabanten jährlich oder alle 2 Jahre folgen.
Doch bevor die NASA die erste bemannte Mondlandung des 21. Jahrhunderts durchführen wird, will sie sichergehen, dass die Fähre ihrer AstronautInnen, die Raumsonde Orion, der Aufgabe auch gewachsen ist. Die erfolgreiche, unbemannte Mission Artemis I hat die neuen Antriebs- und Navigationssysteme der Orion-Raumfähre und des Space Launch System (SLS) getestet. Die vor kurzem verlautbarte vierköpfige Besatzung der Artemis II-Mission, die derzeit für November 2024 geplant ist, wird im nächsten Schritt eine komplette Austestungsanalyse der manuellen Flug- und Lebenserhaltungssysteme von Orion durchführen.
„Wir werden die ersten Menschen sein, die mit diesem Raumschiff fliegen“, sagt der Kommandant der Artemis II, Reid Wiseman. „Wir müssen sicherstellen, dass unser Shuttle in der Lage ist, uns am Leben zu erhalten, wenn wir ins All fliegen“.
Was Artemis II insofern so einzigartig macht ist, dass ihr Hauptaugenmerk weder auf Erforschung noch auf wissenschaftlichen Experimenten liegt, sondern auf der technischen Vorbereitung der AstronautInnen für die nachfolgenden Artemis-Missionen. „Wir konzentrieren uns darauf, was wir tun können, um unseren MitarbeiterInnen zu ermöglichen, in einer lunaren Umgebung zu operieren, sei es auf dem Gateway-Außenposten [eine Raumstation im Mondorbit, die die NASA ab 2024 errichten will] oder auf der Mondoberfläche“, so Wiseman.
Um dieses Ziel zu erreichen, werden Wiseman und seine Crew, die NASA-AstronautInnen Christina Koch, Victor Glover sowie der kanadische Astronaut Jeremy Hansen ihren zehntägigen Flug mit mehreren, stark elliptischen Umlaufbahnen um die Erde starten. Diese Umkreisungen sollen ihnen ein knapp 24-Stunden-Zeitfenster verschaffen, in welchem sie ihr Raumschiff testen können und um ihnen bei Abbruch der Mission eine sichere Rückkehr zur Erde zu gewährleisten, falls irgendwelche Probleme auftreten sollten.
„Die ersten 24 Stunden werden hoch intensiv. Mit Blick auf den Zeitplan der Crew ist es schwierig, alles unterzubringen”, meint Wiseman über all die Raumfahrttests, die sein Team durchführen wird. „Und wenn wir das alles geschafft haben, werden wir mit der “Trans Lunar Injection“(TLI) belohnt werden“, das Triebwerkszündmanöver, welches das Raumschiff aus der Erdumlaufbahn in Richtung Mond bringt.“
Etwa 40 Minuten nach dem Start vom Kennedy Space Center wird die obere Stufe der SLS, die sogenannte Interim Cryogenic Propulsion Stage (ICPS), die Orion in eine elliptische Bahn bringen, deren höchster Punkt sich etwa 2 900 km über der Erde befindet und deren niedrigster Punkt etwa 185 km unter der Erde liegt.
Nach den ersten Überprüfungen während dieses ca. 90-minütigen Orbitalfluges, wird das ICPS erneut zünden, um das Raumschiff in eine weit höhere Umlaufbahn um den Planeten zu bringen, diesmal bis zu einer Höhe von 74 000 km über dem Planeten – zum Vergleich: die Internationale Raumstation ISS befindet sich normalerweise in einer Höhe von etwa 400 km. Bei dieser zweiten Umkreisung wird die Crew 24 Stunden lang die wichtigsten Tests an den Orion-Systemen durchführen.
„Wir werden jede manuelle Einrichtung testen, die wir auf Orion zur Verfügung haben: manuelle Manöver, manuelles Ziele ansteuern, manuelle Kommunikation herstellen“, sagt Wiseman. Im Prinzip werden sie also simulieren, was zur Vorbereitung der Kapsel für eine Mondlandung notwendig ist – allerdings in der Umlaufbahn der Erde, nicht auf der des Mondes.
Ein wichtiger Teil der Tests wird die von der NASA so genannte „Proximity Operations Demonstration“ sein. Die Orion und das in Europa gebaute Servicemodul, das die Lebenserhaltungs-, Energie- und Antriebssysteme trägt, werden vom ICPS abgekoppelt, während die Besatzung manuelle Manöver durchführt, um das Raumfahrzeug mit der abgekoppelten Oberstufe der Rakete auszurichten. Sie werden zwar nicht tatsächlich an das ICPS andocken, aber sie werden bereits die Systeme betreiben, die zukünftige Artemis-Besatzungen benötigen werden, um an einer Mondlandefähre oder dem Lunar Gateway vor Erkundung der Mondoberfläche anzudocken.
Als Nächstes wird die Crew Unterstützungs- und Kommunikationskontrollen durchführen, um sicherzustellen, dass das Orion-Raumschiff für den Start in den tiefen Weltraum bereit ist. Wenn die Mission Control das Startsignal gibt, wird sie die Haupttriebwerke des Orion-Raumschiffs zur Durchführung einer TLI verwenden, mit der das Raumschiff in einer Schleife um den Mond bis zu einer Entfernung von etwa 370 000 km von der Erde befördert wird. Die Flugzeit zum Mond und zurück beträgt etwa vier Tage.
Artemis II unterscheidet sich von den anderen Missionen der Serie dadurch, dass das Orion-Haupttriebwerk das Triebwerkszündmanöver durchführen wird und nicht das ICPS, das seinen Treibstoff verbraucht hat, um die Kapsel für die Tests in eine stark elliptische Umlaufbahn um die Erde zu befördern. Und da Artemis II keine Landung auf dem Mond eingeplant hat, wird die Besatzung keine Orbitalmanöver durchführen müssen, sondern einfach den Mond umkreisen und schließlich in einer Höhe von ca. 10 300 km an der Rückseite des Trabanten vorbeifliegen, wobei sie sich die Gravitationskraft der Erde zu Nutze macht, um das Raumfahrzeug ohne Zündung eines weiteren Triebwerks nach Hause zu fliegen.
„Die Besatzung wird während des langen Transfers zum Mond noch viele andere Tests durchführen müssen, die sie auf Trab halten werden”, so Wiseman. Während die Details der Wissenschaftsmodule für die Mission noch bekannt gegeben werden müssen, steht fest, dass die Körper der AstronautInnen für die Dauer des Fluges – und auch danach – als Minilabore fungieren werden.
„Aus humanwissenschaftlicher Perspektive wird es unzählige Forschungsbereiche geben, die auf uns warten, wie etwa der Effekt der (kosmischen) Strahlung und wie wir die Weltraumumgebung psychisch verkraften“, sagt Wiseman. „Wir wissen viel über Menschen, die im Weltraum auf der Internationalen Raumstation tätig sind; wir wissen weniger über Menschen, die in den Weiten des Weltraumes arbeiten.”
Er fühle sich geehrt, Artemis II zu kommandieren, auch wenn das bedeute, dass er nicht mit der Artemis III oder späteren Missionen fliegen könne. „Was ich mir persönlich wünsche ist, die Artemis II zu fliegen, ich will zurückkommen und meine Crewkolleginnen und -kollegen beim Training für ihre Missionen unterstützen“, erklärt er. „Danach möchte ich die lauteste Stimme in der Menge sein, die sie bejubelt, wenn sie Artemis III oder IV zugeteilt bekommen.
Anmerkung: Dieser Artikel wurde aus dem Englischen übersetzt und leicht editiert. Das Original könnt ihr hier nachlesen.